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Die erste in Serie gebaute Drehstrom-Lokomotive der Welt ist die Baureihe 120. Sie stellt einen Meilenstein in der Entwicklung elektrischer Lokomotiven dar und repräsentiert somit den letzten Stand der damaligen Entwicklung, den Drehstromantrieb, bei dem aus dem Wechselstrom der Fahrleitung in Traktionsstromrichtern der Drehstrom zum Antrieb der Asynchron-Fahrmotoren gewonnen wird. Ausgehend von dieser Technologie wurden 1984 die ersten ICE-Triebköpfe (ICE-V) entwickelt. Als Antrieb dienen Drehstrom-Asynchronmotoren, die sich gegenüber dem Einphasen-Reihenschlussmotor nicht nur durch ihr geringeres Gewicht und kompaktere Einbaumaße auszeichnen, sondern auch mit unterschiedlichen Frequenzen zurechtkommen, da sie keine Kommutatoren haben. Diese Lokomotivbauart ist mit den seit 1899 gebauten Drehstromlokomotiven nicht vergleichbar, zumal Drehstrom ja drei Zuleitungen benötigt (Wechselstrom oder Gleichstrom nur zwei), also damals zwei Oberleitungsdrähte gespannt werden mussten (in Italien war dieses System noch bis in die siebziger Jahre gebräuchlich, die Gornergratbahn in der Schweiz fährt auch mit doppelter Fahrleitung). Erst die Erfindung des Thyristors und dessen Möglichkeiten mittels Frequenzumrichtern Drehstrom in variabler Spannung und variabler Frequenz aus normalem Wechsel- oder sogar Gleichstrom zu erzeugen, war der ganz grosse Durchbruch. Erste Erfahrungen mit der Drehstrom-Antriebstechnik machte die DB gemeinsam mit der Industrie mit den dieselelektrischen Erprobungsträgern der Reihe DE 2500 (Baureihe 202) von Henschel und BBC. Während diese Lokomotiven als diesel-elektrische Lokomotiven gebaut worden waren und sich ihren Drehstrom selbst erzeugen konnten, war dieses System zunächst nur für die Motorsteuerung massgebend. Erst der Umbau der Lokomotive 202 002 im Jahre 1974, bei der der eingebaute Dieselmotor und der Generator stillgelegt wurde und der Drehstrom von einem umgerüsteten Silberling-Steuerwagen kam, zeigte, dass aus normalen Wechselstrom mit 16,7 Hertz und 15 kV mit modernster Technik Drehstrom unterschiedlicher Frequenz erzeugt werden konnte. Der Steuerwagen übernahm die Stromversorgung der Lokomotive; dazu erhielt er einen Transformator und Stromabnehmer sowie die notwendige Elektronik und die Steuerung. So wurde mit Lok+Steuerwagen praktisch eine Drehstromlok simuliert. Die in der Folge durchgeführten Testfahrten führten zu einer Zusammenarbeit der Firmen BBC, AEG und Siemens, die gemeinsam den Drehstromantrieb weiterentwickelten und verbesserten, so dass im Mai 1979 als Ergebnis die Lokomotive 120 001 von Krauss-Maffei (in Zusammenarbeit mit Krupp und Henschel) in München als erste Drehstrom-Schnellzug-Lokomotive vorgestellt werden konnte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die benachbarten Bahnen in Österreich und der Schweiz sich nicht an der Drehstromtechnologie beteiligten, sondern die Thyristor-Lokomotiven (1044 und Lok 2000) prolongierten. Dabei wurde die Thyristor-Steuerung bereits bei der Baureihe E10 ab 1968 bei der Lokomotive E10 436 und allen folgenden serienmässig eingebaut, viele andere wurden nachträglich (auch die Museumslok E10 121) auf Thyristor-Steuerung umgebaut (das typische Schaltwerksgeräusch fehlt beim Anfahren). Am 14. Mai 1979 wurde mit der 120 001 die erste Lokomotive mit Drehstrom-Antriebstechnik an die Deutsche Bundesbahn übergeben. Sie war zunächst für 160 km/h zugelassen und wurde beim Betriebswerk Nürnberg Rbf praktisch erprobt. Denn sie war als Universallokomotive sowohl für Güter- als auch für Personen- und Schnellzüge vorgesehen. Bis zum Januar 1980 wurden auch die 120 002 – 005 ausgeliefert; die optisch leicht abweichende 120 005 (mit tiefer gezogenem Knick auf der Front und einem aufgeklebten strömungstechnisch verbesserten Formteil, 1989 wieder entfernt) wurde dabei von Anfang an für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h zugelassen. Versuche zeigten jedoch bald, dass auch die anderen problemlos für 200 km/h zugelassen werden konnten, daher wanderten die Lokomotiven, soweit keine Versuchsfahrten anstanden, sofort ab Mai 1980 in den IC-Dienst (hauptsächlich zwischen München und Nürnberg, weil in Nürnberg umgespannt werden musste). Am 13. August 1980 stellte die Lokomotive 120 002 mit 231 km/h zwischen Celle und Uelzen (Bahnstrecke Hannover-Hamburg) den ersten Weltrekord für Drehstromfahrzeuge auf. Bereits am 17. Oktober 1984 erreichte die 120 001-3 vor einem Sonderzug mit 250 t Anhängelast zwischen Augsburg und Donauwörth eine Geschwindigkeit von 265 km/h. In Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste, darunter Verkehrsminister Dollinger, stellte das Fahrzeug einen neuen Weltrekord für Drehstromfahrzeuge auf. Während der Betriebserprobung legten die fünf Lokomotiven insgesamt rund vier Millionen Kilometer zurück, so dass die DB eine neue Serie auflegte, zunächst wurden 36 weitere Lokomotiven bestellt, die zunächst als Baureihe 121 geplant war dann aber doch als 120 101 und folgende ausgeliefert wurde.
Die Serienlokomotiven Baureihe 120.1
1984 wurden zunächst 36 Serienlokomotiven der Baureihe 120.1 zu einem Stückpreis von 5,5 Millionen D-Mark bestellt, dieser Auftrag wurde bereits im April 1985 von Bundesverkehrsminister Werner Dollinger um 24 auf insgesamt 60 Lokomotiven erhöht (nach der Weltrekordfahrt mit 120 001). Bis Ende 1988 sollten alle Lokomotiven ausgeliefert worden sein, doch ein Brand im Ausbesserungswerk München-Freimann verzögerte die Abnahme diverser Lokomotiven, bei denen Teile durch Löschwasser oder Brandrückstände beschädigt wurden. Dadurch sind die Abnahmedaten bei etlichen Lokomotiven auch nicht klar bzw. es existieren zwei Daten. Eine Klärung ist erforderlich! Es gab nur wenige Änderungen zur Vorserie, so entfiel beispielsweise die eingebaute elektrische Widerstandsbremse, da die Nutzbremse zuverlässig arbeitete, auch der Transformator wurde vergrössert, die Vorserienlokomotiven aber wurden ebenso ausgestattet. Am 13. Januar 1987 übergab die Industrie im Bundesbahn-Ausbesserungswerk München-Freimann mit der 120 103 die erste Serien-Drehstromlokomotive an die damalige Deutsche Bundesbahn (obwohl 120 110 bereits 7 Tage vorher abgenommen worden war). Die Lokomotiven 120 137 bis 120 160 wurden mit einer geänderten Getriebeübersetzung ausgeliefert, um bei hohen Geschwindigkeiten eine höhere Zugkraft zu erhalten, das führte allerdings zu geringerer Zugkraft bei niedrigen Geschwindigkeiten. Die Lokomotiven der Baureihe 120.1 wurden im IC-Dienst eingesetzt (sie waren sogleich für 200 km/h zugelassen worden) aber fanden auch im Güterzugdienst Verwendung, sie wurden wie die Vorserie zunächst dem Bw Nürnberg Rbf zugeteilt, waren aber in ganz Deutschlands anzutreffen. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass die Beheimatung in einem Güterzug-Betriebswerk doch nicht sinnvoll ist, so dass die Lokomotiven ab dem 31.05.1992 (zusammen mit 120 003-005 und 752 001-002) dem Bw Nürnberg 1 (vorher Hbf) zugeteilt wurden. Die Serien-Lokomotiven kamen schliesslich ab dem 30. Mai 1999 zum Betriebshof München (vorher 1 bzw. Hbf). Es war geplant, die Lokomotiven 120 101, 103-105, 110-113, 123, 129, 132, 133, 146 und 150 an DB Autozug zu verkaufen, diese sollten dann als 121 101 und folgende umgezeichnet werden, tatsächlich wurde nur 121 113 ein paar Wochen Anfang 2006 mit dieser neuen Betriebsnummer beobachtet, der Verkauf sollte eigentlich zum Fahrplanwechsel im Dezember 2005 stattfinden, wurde aber letztendlich nicht unterzeichnet und so musste die 121 113 wieder in 120 113 zurückbezeichnet werden. Warum es letztendlich nicht klappte, darüber gibt es mehrere Gerüchte. Aber durch den Unfall der 120 001 bzw. 752 001 und die Ausmusterung der 752 002 (120 002) fehlten dem ehemaligen Versuchsamt in Minden, inzwischen in Systemtechnik umgetauft, Versuchslokomotiven, daher wurde die 120 004 im AW Nürnberg Anfang 2007 doch noch einmal untersucht, bereits im Frühjahr 2005 wurden die 120 153 und 160 in 120 501 und 502 umgezeichnet und der ST Minden zugeteilt. Ein weiterer Umbau, der von bestimmten Leuten zunächst mit äusserster Geheimhaltung gehandhabt wurde (damit die Printausgabe eines gewissen Magazins gekauft würde), war die Ausrüstung der 120 116, 129, 107, 128 und 121 in Nahverkehrslokomotiven für die Regionalexpresszüge Rostock-Hamburg. Die Lokomotiven erhielten besondere Einrichtungen, die im modernen Regionalverkehr inzwischen Standard sind, wie Durchsageeinrichtung, Türschließeinrichtung und –überwachung, Richtungsschilder am Führerstandsfenster und vieles mehr. Ab Dezember 2007 sind sie als 120 201 bis 205 in dieser Reihenfolge im Einsatz. Dabei hatte es schon Ende der achtziger Jahre Versuchsfahrten in München auf der S4 nach Ebersberg mit Doppelstockzügen und extra umgerüsteten 120.1 gegeben, die sich aber nicht bewährten (u. a. wurden die hoch übersetzen Loks verwendet). Zur Zeit sind bis auf die 120 158 alle anderen 59 im Einsatz, die 120 151 läuft seit Dezember 1996 mit der ZDF-Werbung, einige wenige sind noch orientrot mit dem ekeligen Latz. Die Vorserienlokomotiven wurden, wenn gerade keine Testfahrten anstanden, auch im IC-Dienst verwendet. Das verhinderte erst die Umzeichnung als Bahndienstfahrzeuge, so wurden die 120 001-005 zu 752 001-005. Dieser Unfug geschah am 28. April 1989. Da sich dieses nicht bewährte, wurde bald wieder die ursprüngliche Nummer verwendet, ähnlich wurde mit den beiden 217ern und den 103ern verfahren, diese erhielten auch ihre ursprünglichen Nummern wieder. Immerhin trugen einige Lokomotiven mehr als zehn Jahre lang diese Bahndienst-Nummer. Was viel interessanter ist, die Vorserienlokomotiven wurden bereits Anfang 1983 mit Techniken erprobt, die dann ab 1985 im ICE-V der Baureihe 410.0 zum Einsatz kam. Ebenso wurden neue Drehgestelle, Scheibenbremsen, GTO-Umrichter etc. erprobt, die dann zu den Serienlokomotiven der Baureihe 101 führten. Besonders die 120 004 wurde so umgebaut, dass sie als Vorserienlokomotive der Baureihe 101 zählt. Deshalb wurde sie als einzige betriebsfähig erhalten und wird nach wie vor im Versuchsdienst eingesetzt. Die in den Jahren 1989/90 fertiggestellten Neubaustrecken sollten zunächst nur von ICE-Zügen befahren werden, doch die DB wollte auch lokbespannte IC-Züge hier einsetzen, was jedoch aufgrund der langen Tunnel und der im Tunnel zugelassenen Begegnungsgeschwindigkeit von 200 km/h zu Problemen führte, Lokomotiven und Wagen mussten druckertüchtigt werden. Dazu wurden alle Lokomotiven der Baureihe 120 im Laufe des Jahres 1989 umgebaut, so dass sie im Gegensatz zur 103 auch auf den Neubaustrecken verkehren konnten (die Lufthansa-Lokomotiven 111 049 und 103 101 waren nicht druckertüchtigt und wurden nur in Fahrplanlagen eingesetzt, wo es keine Begegnungen im Tunnel geben durfte). In den neunziger Jahren stellte sich die Frage, die Baureihe 120 nachzubauen, da die DB auf die Baureihe 103 verzichten wollte, weil irgendwelche Leute glaubten und das sogar bewiesen (à la Churchill), dass die dreiachsigen Drehgestelle den Oberbau bei hohen Geschwindigkeiten beschädigen würden. Zuerst war an die Baureihe 121 gedacht, bis die neue DB (Deutsche Bahn AG) schliesslich 145 Lokomotiven der Baureihe 101 bestellte. Dabei gab es im Jahre 1964 schon die Überlegung, die E03 (bzw. später 103) als E01 zu bauen, doch damals traute man sich nicht, weil es erstens ein ungeschriebenes Gesetz gab, keine Doppelbesetzungen (und 1925 gab es schon mal eine E00 und E01) zu verwenden (was aber bei der 50.40 und 23 offensichtlich egal war) und da E02 nicht so gut klang nahm man E03. © 2008 by Klaus D. Holzborn
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